Organisation 4.0: Prozesse und Strukturen
Wer sich mit unternehmerischer bzw. digitaler Transformation beschäftigt, kommt nicht um die Fragen herum, wie sich innerhalb eines Unternehmens Organisationseinheiten weiterentwickeln. In Anlehnung an die IHK Digital Transformation Map gibt es hier einen zusammenfassenden Überblick zur Entwicklung von Prozessen und Strukturen. Denn sicher ist, Nichts ist so beständig wie der Wandel.
In Kürze stehen die Playbooks – zu Deutsch Leitfäden – der IHK Digital Transformation Map zur Verfügung. Es handelt sich um eine Toolbox mit ausgewählten Methoden, die helfen, digitale Vorhaben in drei Unternehmenssegmenten erfolgreich zu planen und umzusetzen. Die Segmente lauten Geschäftsmodell und Produkte, Prozesse und Strukturen, Mensch und Kultur.
Ein Unternehmen verändert sich permanent. Am häufigsten sind es bestehende Prozesse und Strukturen, die Veränderungsprozesse lähmen oder zumindest hemmen.
Dieser verkürzte Fachbeitrag bietet einen ersten Überblick zur Gestaltung von Prozessen und Strukturen auf Abteilungsebene. Die aufgeführten Anregungen unterstützen Führungskräfte, Strukturen in der eigenen Abteilung auf ihre Funktionsfähigkeiten zu überprüfen und im Zweifel anzupassen.
Wozu Strukturen?
Strukturen stehen in Wechselwirkung
- mit fest definierten Aufgaben und Arbeits- bzw. Geschäftsprozessen,
- um die Effizienz, Zusammenarbeit und Kommunikation mit allen betroffenen Stakeholdern zu gewährleisten.
- zu unterschiedlichen Anforderungen und Bedürfnissen anderer Abteilungen und externen Stakeholdern, die es permanent zu verstehen und zu verbessern gilt.
Hinweis: Alle Aufgaben sind zu erfassen und den jeweiligen Geschäftszwecken zuzuordnen. Hier beginnt die Kapazitäts- und Ressourcenanalyse. Neudeutsch wird gerne vom Workload gesprochen.
Voraussetzungen ermitteln
- Ist-Zustand-Analyse mittels SWOT:
- Interne Betrachtung: Stärken und Schwächen
- Externe Betrachtung mit PESTEL-Analyse: Möglichkeiten und Bedrohungen.
- Primäre Fragestellung: Welche Probleme oder Herausforderungen gilt es zu lösen?
Hinweis: Die Ergebnisse der internen Betrachtung fließen in der SWOT-Matrix in die Stärken- und Schwächen-Felder, die Ergebnisse der PESTEL-Analyse, auch Umfeldanalyse genannt, fließt in die Chancen- und Risikenbeurteilung ein, siehe folgende Abbildung.
(Quelle: Environment and company analysis according to SWOT, Hollensen & Opresnik, 2016, p. 64, Fig. 4.1)
Tipp: Nach der Ausarbeitung der SWOT-Punkte Priorisierungen zuordnen. Dazu hilft der Eisenhower-Quadrant, siehe Beispiel in folgender Abbildung.
(Quelle: SWOT mit Eisenhower Quadrant, eigene Darstellung Emmanuel Beule, 2018)
Aus dieser Matrix lassen sich weitere Schritte ableiten, in dem die aufgeführten Punkte mit anderen Verglichen werden. Teilweise lassen sich Schwächen durch Stärken ausgleichen, Risiken durch Maßnahmen mildern usw.
Ziele festlegen.
- Klare, kurzfristige und langfristige Ziele der Abteilung festlegen.
- Prägnante Verschriftlichung nach S.M.A.R.T. (Akronym für spezifisch (specific), messbar (measurable), akzeptiert/erreichbar (acceptable/achievable), relevant (relevant) und terminiert/zeitgebunden (time-bound)
- Sinn: Die Strukturen sind eine organisatorische Voraussetzung, die ausgearbeiteten Ziele zu erreichen. Daher müssen diese beiden Elemente im Einklang zueinander stehen.
Hinweis: „Ein Ziel ohne Plan ist nur ein Wunsch.“ (Antoine de Saint-Exupéry) – Der Plan ist die Struktur, so wie ein U-Bahn-Plan Mitfahrenden erklärt, wie sie von A nach B kommen. Wer weder ein Ziel noch einen Plan hat, der wurstelt sich im Arbeitsalltag nur durch.
Förderung Zusammenarbeit und Kommunikation
Auch die Kommunikation und die Art und Weise der Zusammenarbeit funktionieren besser, wenn die Rahmenbedingungen strukturiert sind.
Eine Führungskraft sollte für sich klären, mit welchem Führungsstil sie arbeitet und wem sie welche Entscheidungsspielräume zulässt, siehe folgende Abbildung.
(Quelle: nach Tannenbaum und Schmidt 1958, S. 96, eigene Darstellung Emmanuel Beule 2021)
- Eine offene und transparente Kommunikation ist entscheidend für den Erfolg einer Abteilung, kostet aber auch mehr Zeit für alle Beteiligten.
- Wissensgerechtigkeit: Informationen und Ideen müssen permanent im Team austauschbar sein, sprich gefördert werden. Anders formuliert: Es ist wichtig, dass sich Menschen austauschen – fachlich und zwischenmenschlich.
- Alle Mitarbeitenden sollten über wichtige Entscheidungen zum richtigen Zeitpunkt informiert sein, die Informationen und deren Auswirkungen verstehen, ggf. nachvollziehen und akzeptieren können.
- Der Umgang mit Kommunikations- und Kollaborationstools kann die Zusammenarbeit erleichtern. Der Umgang mit digitalen Medienkanälen muss erlernt werden. Hier ist es unumgänglich, sich auf möglichst wenige, ja sogar nur einen Medienkanal zu fokussieren.
Hinweis: Digitale Medienkanäle wie WhatsApp verleiten dazu, private und berufliche Kommunikation zu vermengen. Frage: Müssen außerhalb der Arbeitszeiten berufliche Themen besprochen werden oder macht es Sinn, Informationen an einem zentralen Ort zu den normalen Arbeitszeiten zur Verfügung zu stellen?
Verantwortlichkeiten und Rollen
- Rollen und Verantwortlichkeiten jedes Teammitglieds in der eigenen Abteilung definieren.
- Zuständigkeiten und Erwartungen an Stakeholder (Vorgesetzte, Mitarbeitende, Kunden, etc.) müssen nachvollziehbar und verstanden werden, um Konflikte und Missverständnisse zu vermeiden. (Aufgaben im Arbeitsvertrag kennen, überprüfen, anpassen)
Prozesse und Abläufe optimieren
- Prozesse und Abläufe in der eigenen Abteilung kennen, optimieren und auf Schnittstellen mit Verzögerungspotenzial von und zu anderen Abteilungen permanent im Blick behalten.
- Konfliktpotenziale erkennen und abbauen: Strukturelle und zeitliche Engpässe oder Ineffizienzen sind der „Killer aller Unternehmenskulturen“. Sie führen zu Zweifeln an der Kompetenz der Führungskräfte eine Abteilung zu führen und zu gestalten.
Hinweis: Die Führungskräfte müssen unausweichlich die Geschäftsprozesse kennen, optimieren und tragen die Verantwortung für deren Gestaltung im Sinne der jeweiligen Geschäftszwecke.
- Das bedeutet, dass Führungskräfte permanent Lösungen für Probleme entwickeln müssen, um diese zu beheben.
- Die Voraussetzung ist, Probleme zu erkennen.
- Standardisierte und gut dokumentierte Prozesse führen zu erhöhter Produktivität, geringere Belastung aller im Team mitwirkenden Personen fördern die Zufriedenheit aller Stakeholder und reduzieren Fehler.
- positiver Nebeneffekt: standardisierte Arbeitsabläufe bieten das Potenzial für neue Zeiträume, kreative und wilde Arbeitszeiten zu ermöglichen.
Kontinuierlicher Verbesserungsprozess (KVP)
- Gute Führungskräfte, Bereichs- und Abteilungsleitungen sind selbst transformationsfähig, was bedeutet, dass sie immer offen für Veränderungen und Verbesserungen sein sollten.
- Daher ist es unausweichlich, regelmäßig eingeführte Strukturen auf ihr Funktionieren zu überprüfen und bei Bedarf agil anzupassen.
- Feedback aus den betroffenen Personenkreisen sind wesentlich, um sowohl Absicht der Änderung zum Erfolg zu bringen als auch die Leistungsfähigkeit der Abteilung kontinuierlich zu verbessern.
Hinweise: Wir Menschen sind biologisch-evolutionär betrachtet Kooperationswesen und an der Optimierung der eigenen Kohorte interessiert. Deshalb bieten bestehende Strukturen stets Sicherheit. Der Weg in neue Strukturen oder die Veränderung von Prozessen bedeuten für die betroffenen Personen immer Stress, mal mehr und mal weniger. Der Bedarf nach psychologischer Sicherheit darf nicht unterschätzt werden.
Schulungen und Weiterbildung
Fähigkeiten müssen permanent trainiert werden, und neue Skills erwerben Menschen nur durch kontinuierliches Lernen, mal durch wildes Lernen mal durch strukturierte Weiterbildungen.
- Hierzu müssen alle Beteiligten wissen, wohin sich eine Abteilung, die eigene Tätigkeit oder das ganze Unternehmen entwickeln. Nur wer weiß, wozu er morgen gebraucht wird, kann entscheiden, ob er die Fähigkeiten beherrscht oder sich aneignen muss.
- Dauerhaft bleiben Abteilungen durch eine Grundbereitschaft kontinuierlichen Lernens transformationsfähig und effizienter. Hierzu ist das Unternehmen gefragt, richtige Anreize zu schaffen, die Führungskräfte wiederum einsetzen können (Geld, Zeit).
Leistung messen und überwachen
- Kennzahlen wie KPIs oder OKR-Strukturen sind die Voraussetzungen,
- um die Leistungen einer Abteilung zu messen und
- die Auswirkungen der implementierten Strukturen zu überwachen.
- Regelmäßige Auswertungen der Daten helfen, gezielte Verbesserungsmaßnahmen zu erkennen und anschließend die richtigen durchzuführen.
Warum Organisation 4.0?
In Anlehnung an die Auswirkungen der sogenannten Industrie 4.0 bietet es sich an, über die Spannungsverhältnisse der Arbeit von morgen zu sprechen.
Hierzu orientieren wir uns in der IHK-Digitalisierungsberatung an dem bedeutungsschwanger anmutenden Begriff der Ambidextrie 4.0. Visualisiert wird schnell deutlich, was es mit dem Begriff auf sich hat. Es geht um die Zuordnung der vielen Herausforderungen, Probleme und Spannungsverhältnisse des technologischen Fortschritts, den Fachkräfteengpass, Nachhaltigkeitsthemen und die aktuelle Zeitenwende.
Das Modell ist hilfreich, schnell Orientierung im Transformationsdickicht zu finden. Passend zum Modell von Jutta Rump und Silke Eilers erscheinen demnächst die Fachbeiträge zu den anderen Segmenten, wie in der folgenden Abbildung illustriert.
© in Anlehnung Jutta Rump, Erweiterung Emmanuel Beule, 2021
(Quelle nach Rump & Eilers, 2020, S. 2, eigne Darstellung Emmanuel Beule, 2021, S. 33)
Passende Online-Veranstaltungen
Monatlich bieten wir kostenfreie Online-Veranstaltungen an.
- In den Online-Impulsen zur IHK Digital Transformation Map können Interessierte gerne das Wort „Digital“ streichen. Der Methodenansatz ist zwar für digitale Transformationen entwickelt worden, lässt sich aber zu 99 % auf alle anderen Veränderungsprojekte anwenden. Monatlich stellen wir live in Online-Impulsen eine Methode aus dem Modell vor. Die Termine sind aufgeführt unter Online-Impuls-Serie: IHK Digital Transformation Map.
- Jährlich bieten wir bis zu 90 kostenfreie Online-Impulse an, zu finden unter Impulsnetzwerk-Veranstaltungen.
Quellenangaben
- Hollensen, S., & Opresnik, M. (2016). Marketing Planning - analysis. Hamburg: Euro-FH.
- Rump, & S. Eilers, Die vierte Dimension der Digitalisierung (S. 17-42). Berlin: Springer Gabler. doi:10.1007/978-3-662-59418-6
- Tannenbaum, R., & Schmidt, W. (1958). How to choose a leadership pattern. Harvard Business Review, 36(2), S. 95-101.
(Letzter Stand 16. Oktober 2023, Autor: Emmanuel Beule)