Einarbeitung auf Distanz

Wenn äußere Umstände Homeoffice erforderlich machen - und das auch noch in der Phase einer Einarbeitung - ist guter Rat teuer. Einarbeitung und Führung auf Distanz wird in diesen Zeiten groß geschrieben. Was es mit den Menschen macht, ist weniger bekannt. Lesen Sie über die Erfahrungen einer Frau, die in Zeiten des ersten Corona-Lockdowns bei einem neuen Arbeitgeber aus der Ferne eingearbeitet wurde.
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Frau Bettina Kalmbach arbeitet als Sales Managerin bei der Trivadis Germany GmbH. Als ehemalige IHK-Kollegin kennt Sie sich mit unserer
Kammerarbeit und den Bedürfnissen unserer Mitgliedsunternehmen aus. Wie Ihr in Zeiten von Corona und den Distanzvorgaben des Staates die Ankunft in ein neues Unternehmen gelungen ist, was das Unternehmen selbst dafür getan hat, beschreibt Sie anschaulich in diesem Artikel.

Mitarbeitende einarbeiten in Zeiten von Corona – wie gelingt das?

Im Zuge der Corona-Krise, mit einhergehenden wirtschaftlich unsicheren Rahmenbedingungen, ist die Wechselwilligkeit deutscher Arbeitnehmenden, die bisher auch nur bei circa 30 Prozent lag, deutlich gesunken. In Branchen, in denen ohnehin schon Fachkräftemangel herrscht, stellt das die Recruiter vor große Herausforderungen.
Viele Unternehmen suchen nach wie vor Mitarbeitende und stellen ein. Die Vorstellung, einen neuen Job im Homeoffice anzutreten, lässt potenzielle Bewerber*innen aber zögern.
Im August 2020 habe ich eine neue Stelle bei einem Schweizer Unternehmen, mit Niederlassung in Freiburg, angetreten. Weder Büroräume noch Personalabteilung hatte ich davor gesehen, geschweige denn irgendwelche Kolleginnen und Kollegen.
Corona bedeutet für Unternehmen und neue Mitarbeitende «distant onboarding» im Homeoffice – der Einarbeitungsprozess ist durchaus kritisch für den Unternehmenserfolg. Denn die Integration und Unternehmensbindung der neuen Arbeitskraft hängen stark vom Einarbeitungsprozess ab und bestimmen später über Motivation und Leistung.
Mobiles Einarbeiten klingt zunächst befremdlich, aber es unterscheidet sich nur in Details vom mobilen Arbeiten an sich. Doch was ist eigentlich ein mobiler Arbeitsplatz? Und welche Anforderungen muss dieser Arbeitsplatz erfüllen, um effizientes Arbeiten zu ermöglichen? Welche Herausforderungen ergeben sich für Unternehmen, beim Schritt in die Arbeit 4.0?

Die entsprechende Infrastruktur

Die Grundausstattung von mobilem Endgerät inkl. Kamera und Headset ist natürlich Grundvoraussetzung.
Bei der Neudeutsch etablierten Bezeichnung eines Digital Workplaces handelt es sich aber darüber hinaus um eine zentrale Arbeitsplattform, die dem Unternehmen und den Mitarbeitenden digital, gerät- und ortsungebunden zur Verfügung steht. Sie dient als Informationsplattform und vereint alle nötigen Tools, Daten sowie Bereiche des Unternehmens.
Das ermöglicht effiziente und einfache Arbeitsabläufe, eine teilweise Automatisierung von Arbeitsprozessen und die schnelle Kommunikation zwischen den verschiedenen Schnittstellen im Unternehmen.
In der entsprechenden Anwendungsumgebung können Mitarbeitende gemeinsam an Dokumenten arbeiten, Informationen und Inhalte abrufen bzw. weitergeben und Daten zentral speichern. Verschiedene Endgeräte, Videozusammenarbeit und Cloud-basierte Anwendungen stellen hohe Anforderungen an das Netzwerk und erfordern eine robuste Infrastruktur.
Der Zugriff und die Nutzung von Anwendungen und Daten müssen unkompliziert und klar strukturiert sein. Arbeitsprozesse dürfen nicht durch unnötige Schnittstellen aufwendig und zeitraubend werden. Komfort und Flexibilität in der Nutzung sind ausschlaggebend für die Akzeptanz des Digital Workplace unter den Mitarbeitenden.
Für den Arbeitsantritt und die dazugehörigen Prozesse gilt die Maxime der Benutzerfreundlichkeit umso mehr.
Die Mitarbeitenden müssen sich die wichtigen Zugänge selbstständig von daheim einrichten können. Wenn sie die Login Daten und diverse Anleitungen schon im Voraus erhalten, können sie sich am ersten Arbeitstag einloggen, die nötigen Anwendungen installieren und sofort loslegen.
Tools wie Videocalls, Messenger-Programme (wie beispielsweise Microsoft Teams), ein News-Hub oder auch digitale Einarbeitungsformate sind essentiell für die Integration von Mitarbeitenden. Auch im Homeoffice ist alles zunächst einmal neu. Durch regelmäßigen und strukturierten Austausch finden neue Kräfte schneller ins Team und in die Prozesse – auch ohne räumliche Nähe.

Kontrollierter Zugriff auf Dokumente und IT-Sicherheit

Während in vielen Unternehmen eine VPN-Verbindung den Zugang zu Ordnern und Dokumenten gewährleistet, findet dies bei einem mobilen Arbeitsplatz häufig virtuell in einer Cloud statt. Beispielsweise in einem Sharepoint.
Die Mitarbeitenden loggen sich ein und haben dort den Zugriff auf die für sie wichtigen Dokumente. Innerhalb eines solchen Sharepoints können verschiedene Team-Bereiche und darin eigene Ordnerstrukturen angelegt werden. In den Ordnern lassen sich Dateien abspeichern und sowohl intern als auch extern austauschen.
Bei einer Cloud ist der VPN-Zugang hinfällig. Hier gibt es Authentifizierungs-Tools, beispielsweise PingID. Sie gewährleisten den sicheren Zugang zur Cloud. Dabei erhalten die Mitarbeitenden nach dem Login am Laptop einen Verifizierungscode auf einem zweiten Endgerät (Smartphone, Tablet). Nach Eingabe des Codes stehen alle nötigen Zugänge zur Verfügung.

Digitale Unternehmenskultur schaffen und fördern

Neben all den technischen Gegebenheiten braucht es einen weiteren wichtigen Bestandteil, damit der Digital Workplace und das «digital onboarding» funktionieren: die Unternehmenskultur.
Unternehmen, in denen Homeoffice bereits vor Corona ein fester Bestandteil der Arbeitsorganisation war, fällt der Schritt in die fast ausschließlich mobile Arbeitswelt leichter. Sie müssen Mitarbeitende, die bisher das Büro vorgezogen haben, motivieren, schulen und Hilfestellung bei der Arbeitsorganisation zu Hause anbieten (hier könnte man beispielsweise ein Organisationstool in die Anwendungsumgebung integrieren).
Unternehmen, die bisher allerdings keinen Digital Workplace nutzten, sollten für die Umstellung ein paar Dinge beachten:
1. Die Einführung eines mobilen Arbeitsplatzes betrifft alle Abteilungen im Unternehmen. Sie sollten also auch alle Unternehmensbereiche in die Planung einbeziehen, die jeweiligen Bedürfnisse berücksichtigen und eine ganzheitliche Strategie formulieren. Eine von oben auferlegte Universal-Lösung, die intern keine Unterstützung findet, ist zum Scheitern verurteilt.
2. Mitarbeitende müssen geschult werden. Wer bei jeder Anwendung die Kolleg*innen fragen muss, wie sie doch gleich funktionierte, verliert schnell die Lust und nutzt den Arbeitsplatz nicht richtig.
3. Kommunikation ist das A und O. Binden Sie alle Mitarbeitende von Anfang an in den Digitalisierungsprozess mit ein. Üben Sie die virtuelle Kommunikation und machen Sie sie so zu einer Selbstverständlichkeit.
4. Vorgesetzte müssen den Mitarbeitenden das nötige Vertrauen entgegenbringen. Hauptsache ist, dass die Arbeit getan wird, ob vom Balkon, der Ferienwohnung, dem Bahnhof oder von wo aus auch immer. Mitarbeitende müssen eine hohe Kompetenz und Selbstdisziplin aufweisen bzw. Erlangen, was das Trennen von Arbeit und Privatem betrifft.

Besonderheiten

Für beide Fälle gilt: Wenn Arbeitszeiten im Büro nicht mehr die Regel sind, sondern zufällig geschehen, gilt es, sie zu organisieren.
Manche Arbeiten müssen einfach vor Ort erledigt werden oder erfordern den persönlichen Austausch. Um einen Überblick über die Auslastung von Büro- und Meeting-Räumen zu behalten, sollten Sie hier für Transparenz sorgen. In Zeiten von Corona ist dies umso wichtiger.
Bei meinem Arbeitgeber gibt es eine App, in der man die Anwesenheiten im Büro reservieren und deckeln kann. Kontakte lassen sich durch das einchecken im Office später zurückverfolgen. Unter Einhaltung der maximalen Büroauslastung ermöglicht diese App bis zu einem gewissen Grad trotz Corona einen persönlichen Austausch unter Kolleg*innen.

Mein Fazit

Mit einer digitalen Unternehmenskultur, der Fähigkeit, digitale Medien zu nutzen und der Bereitschaft, dies auch zu tun, kann man von fachlicher Seite sämtliche Einschränkungen, die der fehlende persönliche Kontakt mit sich bringt, ausgleichen.
In meinem Unternehmen waren bereits vor Corona fast alle Arbeitsprozesse digitalisiert, sodass ich auch mit digitalen Schulungen schnell Routine erlangte.
Teilweise ist der Lerneffekt auch größer, wenn man selbst aktiv werden muss, statt alles an einem fremdem PC vorgeführt zu bekommen. Bedarf es einer unmittelbaren Hilfestellung am PC, bieten Messenger-Programme wie MS Teams die Möglichkeiten, den Bildschirm und dessen Steuerung zu teilen, damit man gemeinsam auf der selben Ansicht arbeiten kann.
Meine Teamkolleg*innen und Vorgesetzten sind statt ein paar Meter, eben einfach ein paar Klicks entfernt. Videocalls sind aber eine Selbstverständlichkeit und der persönliche Austausch ist trotz räumlicher Distanz jederzeit möglich.
Ob im Einarbeitungsprozess oder im Berufsalltag, der unmittelbare persönliche Kontakt, der in gemeinsamen Mittagspausen oder beim Small-Talk am Kaffeeautomaten entsteht, bleibt in einer Ausnahmesituation wie der jetzigen natürlich auf der Strecke. In regelmäßigen Online-Meetings, wie beispielsweise einem täglichen «Stand-up» zu Beginn des Arbeitstages, teilen wir im Team aktuelle Aufgaben, Erfolge, Herausforderungen sowie Projekte und wechseln auch persönliche Worte miteinander.
Dies und virtuelle Kaffeepausen mit den Kolleg*innen gaben mir schnell das Gefühl, auch als Person im Team angekommen zu sein.,
(Gastautorin: Bettina Kalmbach; Herausgeber: Emmanuel Beule)