Mit einer Unternehmensstrategie zum (digitalen) Erfolg
In der zunehmend dynamischen Geschäftswelt ist es essenziell, Unternehmensstrategien regelmäßig zu überprüfen und anzupassen. Unternehmen vernachlässigen dies oft wegen Zeitmangels oder unerwarteten Herausforderungen. Eine fundierte Strategie ist jedoch für alle Unternehmensgrößen wertvoll. Dieser Beitrag erörtert die Wichtigkeit einer durchdachten Strategie und erklärt, wie auch mit limitierten Ressourcen effektive Strategien entwickelt werden können.

Lohnende Aspekte für die Entwicklung eigener Geschäftsstrategien
Wann haben Sie sich das letzte Mal die Zeit genommen, um Ihre Unternehmensstrategie zu überprüfen? Ist das schon länger her? Es ist immer das Gleiche: vor der Messe ist keine Zeit mehr dafür, und nach der Messe müssen die neuen Aufträge abgearbeitet werden. Oder eine andere, nicht vorhersehbare Widrigkeit stiehlt wieder Ihre wertvolle Zeit. Wenn das Geschäft richtig brummt, dann braucht es doch keine Strategiearbeit und sollte es mal nicht mehr so gut laufen, dann kann man sich immer noch die Zeit nehmen, oder?
Dieses Aussitzen wird auf Dauer nicht gelingen, denn wenn die Flaute das Geschäft schon erreicht hat, dann genügen die Ressourcen bestenfalls, um einen Notfallplan umzusetzen. In der bereits aufkommenden Krise ist es zu spät, um Lösungen zu planen, einzuführen und umzusetzen.
Es gibt also keine Ausrede: Um den langfristigen Unternehmenserfolg sicherzustellen, müssen Unternehmensstrategie und operatives Geschäft parallel entwickelt werden. Aber wie, das ist hier die Frage. Übrigens braucht es entgegen hartnäckigen Vorurteilen kein Riesenbudget, um Strategiearbeit zu betreiben. Im Gegenteil, eine gute Unternehmensstrategie zu erarbeiten kostet wenig im Verhältnis zu den Einsparungen bzw. dem Mehrgeschäft, zu dem es Ihrem Unternehmen verhilft.
„Der zuverlässigste Weg in die Zukunft zu sehen, ist das Verständnis der Gegenwart!“ John Naisbitt
Erfolg ohne Strategie — nur ein Glücksspiel!
Es stellt sich die Frage: Ist Strategieentwicklung nicht kompliziert und braucht immer externes Consulting?
Abbildung 1: Ob Umsatz oder Gewinn steigen sollen: Ein Business Case allein ist noch keine erfolgversprechende Strategie.
Fleißige Unternehmenslenker und vor allem auch Unternehmensberater, auf Neudeutsch Consultants, haben in jahrzehntelanger Arbeit gewaltige Strategietools entwickelt. Diese Werkzeuge haben im jeweiligen Kontext ohne Zweifel Ihre Berechtigung, doch möchte ich für ein möglichst einfaches Vorgehen plädieren. Für Ihren Unternehmens-erfolg ist es essenziell, die wesentlichen Chancen zu ergreifen und dabei auch die Risiken richtig einzuschätzen. Besser einfach gedacht und viel umgesetzt als mit großen Plänen auf halbem Wege im Sand des Alltags steckengeblieben. Mit dem richtigen Plan und ausreichend Ressourcen kann Strategieentwicklung auch ohne fremde Unter-stützung gelingen.
80 % der innovativen Ideen entstehen im Dialog!
Da 80 % der innovativen Ideen im Dialog entstehen, ist es jedoch wünschenswert auch für ein kleineres Unternehmen eine Strategie nicht allein zu erarbeiten. Hier steckt insbesondere der GmbH-Geschäftsführer oder der geschäftsführende Gesellschafter in einem Dilemma: Er hat oft im Unternehmen keinen Gesprächspartner auf Augenhöhe zur Verfügung.
Herkunft und Definition des Strategiebegriffs
Das Wort Strategie wird oft als abstrakt empfunden, dabei ist es etwas sehr konkretes, z.B. ein Muster von Handlungen in der Gegenwart zur Sicherung zukünftiger Erfolge. Eine gute Strategie hilft jedem Unternehmen, nicht nur dem Großkonzern. Der Begriff leitet sich vom griechischen Strate-gos ab, einer Zusammensetzung aus den Begriffen stratos (Heer) und ago (führen). Ursprünglich war ein Stratege also ein antiker Heerführer. Diese Strategen hatten auch die Bewahrung des Friedens und der etablierten Machtverhältnisse zum Ziel. Doch der Strategiebegriff wird heute wesentlich breiter verwendet.
Wer beim Onlinehändler Amazon Strategie eingibt, der bekommt über 50.000 Produkte angeboten, davon allein knapp 40.000 Bücher. Der Strategiebegriff ist hip: Von der Kindererziehung bis zur Strategie der Grün-dung einer Rockband reicht das Spektrum der online vermarkteten Sachbücher. Dabei fokussieren viele Titel das Themenfeld Geschäft und Erfolg, um das es hier geht.
Was Strategie wirklich erreichen soll
Im Kern geht es also darum, die wesentlichen Einflussfaktoren für ein Geschäft vorab zu betrachten, um den Effekt dieser Elemente zu berücksichtigen. Dabei können es so-wohl Faktoren sein, die uns in die Hände spielen als auch solche, die das Geschäft behindern oder gar gefährden. Nicht nur betriebliche Abläufe und die Kräfte des Markts können uns einen gewaltigen Strich durch die Rechnung machen.
Auch die gesetzlichen und politischen Rahmenbedingungen bergen unter Umständen ein gewaltiges Risiko. Veränderte Regulierungen am Markt verändern massiv Positionen im Wettbewerb: Solar, Pharma, Chemie, Immobilien, Automotive und Banken seien hier beispiel-haft als regulierte Geschäftsbereiche genannt.
„Es geht nicht darum die Zukunft vorherzusehen, man muss sie ermöglichen!“ Antoine de Saint-Exupéry
Blue Ocean Strategie kann auch bei kleinen und mittleren Unternehmen gelingen
Bei allem Elan neigen wir oft dazu, unserer Kundschaft mehr Produkt zu höherem Preis anbieten zu wollen. Nicht immer ist das für unsere Kunden die bevorzugte Lösung. Auch hier kann weniger mehr sein und mit einer im Grunde simplen Idee dennoch ein bahn-brechender Erfolg gelingen.
Wie geht das?
Ein heutzutage sehr bekanntes schwedisches Möbelhaus hat vor einigen Jahrzehnten beschlossen, keine fertigen Möbel zu verkaufen und an den Kunden auszuliefern, sondern die Einzelteile für jedes Möbelstück als Bau-satz in flache Verpackungseinheiten zu stecken, die der Kunde selbst nach Hause transportiert und montiert. Doch wie genau funktioniert diese Strategie? Der Möbelhersteller Ikea hält sich einfach nicht an die Branchenstandards, sondern stellt neue, eigene Regeln auf.
IKEA
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Typisches Möbelhaus
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Möbel sofort verfügbar
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6 – 8 Wochen Lieferzeit
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Keine Lieferung
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Lieferung/Montage gegen Aufpreis
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Eher günstig
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Höhere Preisniveaus
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Restaurant, Kinderbetreuung
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Kaffee, Wasser
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Tabelle 1: In der Kundenwahrnehmung unterscheidet sich der Anbieter Ikea in einigen Aspekten deutlich von typischen Möbelhäusern.
Die zugrundeliegenden Mechanismen wurden im viel beachteten Werk Blue Ocean Strategy von W. Chan Kim und Renée Mauborgne detailliert beschrieben. In einem reifen Geschäft tummeln sich die etablierten Anbieter auf einem immer enger werdenden Markt, dem sogenannten Red Ocean, also einem gefährlichen Haifischbecken.
Durch risikoarme, aber wesentliche Veränderungen im Geschäftsmodell hat es Ikea geschafft, sich in der Kundenwahrnehmung vom Wettbewerb deutlich zu differenzieren und so einen neuen, unberührten Markt erschlossen, in dem es bis heute keinen Wettbewerber auf Augenhöhe gibt.
Regelverstoß
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Geschäftsmodell
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Wir bauen die Möbel nicht zusammen
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IKEA
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Wir vermieten Schubstunden, keine Triebwerke.
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Rollce-Royce Aviation
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Wir fliegen Sie ans Ziel. Wollen Sie mehr, kostet es einen Aufpreis.
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Easy Jet, Southwest Airlines
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Einkaufen ohne Bargeld
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Kreditkartenprovider
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Tabelle 2: Regelverstöße können es ermöglichen, in reifen Geschäften neue Marktnischen zu erobern. Einige Produkte haben sogar das Potential, zu Konkurrenten etablierter Anbieter zu werden.
Dieser bei Geschäftseinführung unberührte neue Markt wird analog zu einem Korallenriff ein Blue Ocean genannt. Die Blue Ocean Strategie ist zwar mit prominenten Beispielen großer Konzerne berühmt geworden, doch sie kann ohne weiteres auch kleinen und mittelständischen Unternehmen gelingen. Ein im Bereich Umwelttechnik tätiges Unternehmen entwickelt und vertreibt mit weniger als 20 Mitarbeitern Messsysteme, die außerhalb der Herstellerspezifikation kalibriert und für den Gebrauch zertifiziert werden. Die Kunden dieser Produkte können durch den Einsatz dieser speziellen Messtechnik teure bauliche Veränderungen in ihren Kläranlagen vermeiden.
„Keine Therapie ohne Diagnose – keine Strategie ohne Analyse der ist-Situation!“ Jan-Arne Gewert
Die SWOT-Analyse – Ein starkes Werkzeug für die Ermittlung der Ist-Situation eines Unternehmens
Elementare Voraussetzung für die Entwicklung einer Unternehmensstrategie ist die Situationsanalyse, die hier als SWOT-Analyse vorgestellt wird. Das Akronym SWOT steht für die Anfangsbuchstaben der englischen Begriffe Strengths, Weaknesses, Opportunities and Threats, die ins Deutsche als Stärken, Schwächen, Chancen und Risiken übersetzt werden (Abbildung 2).
Abbildung 2: Die SWOT-Analyse gliedert betriebsinterne Faktoren wie auch externe Faktoren und Umwelteinflüsse und kann z.B. als Vorbereitung für eine Normstrategie genutzt werden.
Besonderer Vorteil dieser Methode: Es werden unternehmensinterne wie externe Einflüsse berücksichtigt. Dabei fließen die internen Faktoren in die beiden oberen Blöcke Stärken und Schwächen ein, während die Faktoren aus Umwelteinflüssen in die unten dargestellten Kategorien Chancen und Risiken einfließen. Wenn ein nicht allzu hoher Detaillierungsgrad erforderlich ist, dann kann eine aussagekräftige SWOT-Analyse in einem moderierten Brainstorming von einem Kreis unternehmensinterner Führungskräfte und Experten an einem Tag fertiggestellt werden.
Noch mächtiger: Die Kombination von SWOT-Analyse mit weiteren Tools
In komplexen Situationen können auch die Resultate vorgelagerte Untersuchungen in die SWOT-Analyse einfließen und so einen komplexen strategischen Prozess ermöglichen und vor allem leichter verständlich machen: Auf dem betriebsinternen Gebiet der Stärken und Schwächen bieten sich z.B. die Lebenszyklusanalyse, Kostenstrukturanalyse oder die Unternehmenskulturanalyse dafür an. Auf der Seite der Chancen und Risiken können u. a. Zielgruppenanalysen, Benchmarking Tools oder Branchenstrukturanalysen zum Einsatz kommen.
Die SWOT-Analyse liefert Aussagen, die systematisch in vier Felder gegliedert werden. Mit der Ableitung der SWOT-Normstrategie finden Sie hier die Antwort auf die Frage, welche strategischen Optionen sich für Ihr Unternehmen anbieten. Es ergeben sich vier mögliche Grundausrichtungen, die in der Abbildung 4 erläutert werden. Im Fall der SO-Strategie geht es z.B. darum, mit den vorhandenen Stärken (Strengths) die sich anbietenden Chancen (Opportunities) zu nutzen. Darüber hinaus lassen sich nach diesem Schema auch ST-, WO- und WT-Strategien ableiten (Abbildung 3).
Abbildung 3: Beispiel zum Vorgehen bei der Ableitung einer SWOT-Normstrategie.
Besonderer Vorteil der SWOT-Analyse ist die einfache Darstellung auch komplexer Sach-verhalte. Zusammen mit der Ableitung der Normstrategien ist dies eine besonders praktikable Methode, um rasch und systematisch eine Unternehmensstrategie zu erarbeiten. Auch kann man bei wiederholter Anwendung der Methode gut Fortschritte erkennen und dokumentieren.
Die Ableitung einer SWOT-Normstrategie führt zu vier möglichen Strategieausrichtungen
Anschaulich kann man die Anwendung der SWOT-Analyse und der Normstrategie anhand eines Beispiels erläutern: Eine klassische Werbeagentur hat einen treuen Kundenstamm für Printmedien und möchte nun auch Internetmarketing betreiben (Abbildungen 4 und 5).
Abbildung 4: Am Beispiel Werbeagentur wird eine SWOT-Analyse demonstriert.
Die Schwäche der fehlenden Kompetenz im Onlinemarketing wird durch das Einstellen der erforderlichen Fachkräfte abgebaut und somit die Chance genutzt, Onlinemarketing-Produkte für Bestandskunden anzubieten. Es handelt sich bei diesem Beispiel somit um eine WO-Strategie, bei der die gute Finanz-lage (Stärke) die Umsetzung wesentlich begünstigt (Abbildung 6). Alternativ könnte man auch für die Erprobung und Einführung des neuen Geschäfts Kooperationen mit den lokalen Anbietern von Internetmarketing erwägen. Damit wäre das Risiko im Falle eines Misserfolges weiter reduziert.
Abbildung 5: SWOT-Normstrategie — Werbeagentur, Ableitung einer Normstrategie aus einer Beispiel SWOT.
Nachteil der SWOT-Methode ist, dass keine unmittelbaren Hinweise zur Priorisierung der Aktionen generiert werden. Es können triviale Resultate neben wichtigen Erkenntnissen gefunden werden. Somit bleibt es dem jeweiligen Team überlassen, mit gesundem Menschenverstand Prioritäten festzulegen.
Zusammenfassung
Eine angemessene Strategieentwicklung ist für den langfristigen Unternehmenserfolg kleiner wie großer Unternehmen essenziell. Auch mit einfachen Mitteln kann eine solide Unternehmensstrategie erarbeitet werden. Durch vertrauensvollen Dialog aller Beteiligten wird der kreative Prozess wesentlich begünstigt. Die richtige Chemie im Team ist wichtiger als das neueste Strategie-Tool. Hierbei ist es von großem Vorteil, wenn dem Entscheider ein neutraler Gesprächs- und Sparringspartner auf Augenhöhe zur Seite steht.
Über den Autor
Mit 20 Jahren internationaler Erfahrung in Mittelstand und Konzerngesellschaften berät Dr. Jan-Arne Gewert besonders gerne Entscheider, die Ihr Unternehmen auf nachhaltigen Wachstumskurs bringen wollen. Als Unternehmer des Jahres und erfolgreicher Geschäftsführer kennt er die Tücken des Marktes. Nach Ausbildungen u.a. in Lean-Sigma und OPEX hat er selbst zahlreiche Projekte erfolgreich realisiert und gibt als Dozent sein Wissen weiter. Besondere Schwerpunkte sind die chemisch-pharmazeutische Industrie so-wie produzierende Unternehmen.
(Letzter Stand 30. Juli 2024, Autor: Dr. Jan-Arne Gewert; Herausgeber: Emmanuel Beule)