Leitfaden IHK Digital Transformation Map: Dezentrales Lernen und Fehlerkultur

Der Leitfaden bietet Hilfestellung zu den Herausforderungen und Chancen der Fehlerkultur in deutschen Unternehmen. Er zeigt den Konflikt zwischen Null-Fehler-Toleranz und Innovationsbedarf auf, betont die Notwendigkeit einer offenen Fehlerkultur für die digitale Transformation und bietet Praxisbeispiele für deren erfolgreiche Umsetzung sowie eine Checkliste für den Einstieg.
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Einleitung: Fehlerkultur in Unternehmen

“Made in Germany” - Segen und Fluch der Null-Fehler-Toleranz

Die DNA des unternehmerischen Selbstverständnisses in Deutschland und der Ruf als Industrienation in anderen Ländern basiert auf Qualitätsarbeit, auf Präzision und Perfektion. Eine ausführliche Beschreibung dieser unternehmerischen Grundhaltung in Deutschland findet sich in dem Buch “Silicon Germany” von Christoph Keese; und auch, wie paradigmatisch anders das unternehmerische Selbstverständnis und die Intentionen im Silicon Valley sind.
Die deutsche Wirtschaft steht insbesondere für eine sehr ausgeprägte Fertigungstiefe: eine Organisationsform, die darauf abzielt, optimale Produktions-, Wertschöpfungs- und Lieferketten zu schaffen. Ein Beispiel ist die deutsche Luftfahrtindustrie, zu der unter anderem die deutsch-französische Airbus Group als Weltmarktführer gehört.
Der Flugzeugbau steht für einen hochkomplexen Fertigungsprozess, bei dem eine Null-Fehler-Toleranz gefordert ist. Dafür wird gesorgt, indem die Verwendung jeder Schraube und jedes Werkzeugs während des Prozesses von den Mitarbeiter:innen dokumentiert bzw. ein- und ausgecheckt wird - wie bei einem militärisch geführten Waffenschrank. Denn jede Ungenauigkeit hätte fatale Folgen. Für die Konzeption, Abbildung und Umsetzung solch komplexer Prozesse mit höchsten Qualitätsstandards ist die deutsche Ingenieurskunst weltweit bekannt.
Weniger bekannt ist hierzulande dagegen die horizontale Integration: das Zusammenführen zweier Geschäftsfelder oder von Geschäftsideen und -modellen, die auf den ersten Blick nichts miteinander zu tun haben, aus denen aber etwas Neues entsteht: zum Beispiel die Verbindung von Taxibuchung und App (Uber) oder von privater Wohnungsvermietung und App (AirBnb).
Für die Entwicklung und den Erfolg solcher Ideen ist es - im Gegensatz zum Optimierungsansatz der vertikalen Integration - notwendig, dass alle Beteiligten genügend Spielraum haben, sehr schnell sehr viele Fehler machen zu können, um herauszufinden, was funktioniert - und was nicht. Eine Testmöglichkeit ist z.B. in Form eines Minimum Viable Products (MVP) - eines minimal brauchbaren oder lebensfähigen Produkts - zu denken.
Und genau das widerspricht der deutschen Ingenieurskunst. Hier geht es nicht darum, in jedem Prozessschritt die beste Qualität zu liefern, sondern den größten Nutzen zu schaffen. Und das erfordert eine andere Einstellung, das sogenannte Mindset.
Fehler können in verschiedenen Kontexten unterschiedliche Bedeutung und Konsequenzen haben.

Ein neues Verhältnis zu Fehlern aufbauen

Was ist ein Fehler? Der amerikanische Psychologe George A. Miller definierte Fehler als Abweichung des Ist-Zustandes (z.B. ein erzieltes Arbeitsergebnis) vom Soll-Zustand (der Arbeitsaufgabe). Ein Fehler wird dann als solcher erkannt, wenn die entsprechende Handlung im Nachhinein überprüft und bewertet wird.
Diese Bewertung beinhaltet auch, wie die Auswirkung des Fehlers eingeschätzt wird: als kritischer Fehler (lebensbedrohlich oder schwerwiegende Einschränkung der Funktionsfähigkeit) oder als untergeordneter Fehler (geringe Auswirkung auf den Prozess oder die Nutzer oder die Funktion). So gibt es z. B. beim Einbau eines Motors eine Fehlertoleranz, d. h. eine Abweichung von der optimalen Platzierung um einige Millimeter, ohne dass die Funktion beeinträchtigt wird und der Motor im Betrieb das Gehäuse nicht berührt.

Der Kulturbegriff und die Relevanz von Unternehmenskultur

Der Kulturbegriff hat viele Bedeutungen, soll aber in diesem Zusammenhang allgemein verstanden werden als eine Gesamtheit bestimmter menschlicher Lebens- und Ausdrucksformen, die auf spezifischen Wertvorstellungen und etablierten/tradierten Verhaltensmustern beruhen.
Kultur ist also eine Art Schatten dessen, was wir tun, und beeinflusst unsere Sicht auf die Welt und unsere Wahrnehmung dessen, was als ‘richtig’ oder ‘falsch’ gilt. Da es sich um ein vielschichtiges Konstrukt aus langfristig eingeübten (impliziten und expliziten) Praktiken handelt, ist Kultur nicht direkt oder spontan beeinflussbar und gestaltbar.
Dies gilt auch für Unternehmenskulturen. Eine Unternehmenskultur kann nicht von heute auf morgen durch ein vorgegebenes (Verhaltens-)Regelwerk künstlich erzeugt werden. Es liegt jedoch in der Verantwortung jeder Organisation, ein Umfeld zu schaffen, in dem die besten Voraussetzungen für das Gedeihen einer bestimmten Kultur gegeben sind. Dazu gehört auch der digitale Reifegrad eines Unternehmens.

Einsatzmöglichkeiten: digitale Transformation profitiert von Fehlerkultur

Unternehmenskultur und Ambidextrie

Wie kann ein digitaler Reifegrad erkannt werden bzw. welche Fragen sollten innerhalb eines Unternehmens gestellt werden, um diesen zu erkennen? Eine wichtige Rolle spielt dabei die Ambidextrie. Ursprünglich wurde dieser Begriff in der Medizin verwendet, um die gleichartige Fingerfertigkeit beider Hände zu beschreiben. Übertragen wurde dies auf die Idee, dass auch Unternehmenseinheiten ambidexter zusammenarbeiten können - die sogenannte Ambidextrie 2.0.
Jutta Rump, eine der derzeit führenden Professorinnen für Personalmanagement in Deutschland, stellt den Spannungsverhältnissen der heutigen Arbeitswelt die Relevanz einer Ambidextrie 4.0 gegenüber. Die vier Bereiche Führung, Organisation, Geschäftsmodell und Mitarbeiterinteressen stehen sich gegenüber und fordern sich gegenseitig zu Veränderungen heraus. Wie lassen sich beispielsweise traditionelle und digitale Geschäftsmodelle verbinden? Welche Veränderungskompetenzen und Lernkonzepte braucht die Belegschaft der Zukunft? Was bedeutet moderne Führung im Spannungsfeld von Vertrauen und Kontrolle, um mehr Agilität zu ermöglichen?
Sowohl Arbeitnehmer als auch Arbeitgeber müssen viele Bereiche und Aufgaben gleichzeitig berücksichtigen, um die digitale Transformation neben dem normalen Tagesgeschäft mitzugestalten. Dies kann zu Frustration führen, weshalb ein Blick auf die Unternehmenskultur entscheidend ist, um zu prüfen, ob ein Umfeld geboten wird, in dem die Menschen befähigt werden, diesen permanenten Veränderungsprozess zu bewältigen; dies bedeutet nicht nur Krisenmanagement, sondern insbesondere die Gestaltung neuer Geschäftsmodelle, Prozesse und Organisationsformen.

Unternehmenskultur und Veränderungs- und Fehlerbereitschaft

Während Kultur also der Schatten dessen ist, was wir sehen - wie Menschen in einem Unternehmen miteinander umgehen und wie sie mit Fehlern umgehen - ist der Auslöser dafür unsere Einstellung, unsere Werte und Motive, die uns dazu bringen, etwas auf eine bestimmte Art und Weise zu tun oder nicht zu tun.
Die Einschätzung dessen, was in einem Unternehmen geschieht und wie das Verhalten bewertet wird, erfolgt bei den Individuen auf der Basis ihrer subjektiven Wahrnehmung und ihrer eigenen Verhaltenspräferenzen; dies erzeugt eine bestimmte Wirkung und Anpassung des eigenen Verhaltens. Dadurch bilden sich bestimmte Präferenzen und Kompetenzen in einem Unternehmen heraus.
Grundlage für die Vermittlung der Unternehmenskultur ist häufig die Frage: "Was sind unsere gemeinsamen Werte? Im Idealfall sind die Werte, für die das Unternehmen steht, nicht etwas, was die Marketingabteilung oder die Geschäftsleitung formuliert hat, sondern etwas, das gemeinsam mit den Mitarbeitenden erarbeitet wurde.
Aber selbst in diesem Idealfall kann zwar eine ganze Wertebroschüre entstehen, aber die Motive, aus denen sich die Menschen in einer Organisation zu den gleichen Werten bekennen und für sie einsetzen, können völlig unterschiedlich sein. Dieses Verständnis und die daraus resultierende Konsequenz sind oft nicht vorhanden.
Erkenntnisse aus der Psychologie legen nahe, dass die Motivation jedes Einzelnen aus seinen persönlichen Motiven entsteht. Nach dem New Big Five-Modell der Persönlichkeit des Psychologen Dan P. McAdams sind diese Motive zum Teil genetisch vorgegeben. Demnach ist bereits im Stammhirn jedes Menschen angelegt, welche Botenstoffe (Serotonin, Oxytocin, Testosteron und Dopamin) in welcher Dosis und unter welchen Umständen ausgeschüttet werden und damit die Wahrnehmung und das Verhalten gegenüber der Welt beeinflussen.
Darüber hinaus erlebt jeder Mensch individuelle Lebenssituationen, die ebenfalls die Motive beeinflussen und die subjektive Sicht auf die Welt und das persönliche Verhaltensmuster bestimmen, in der Fachsprache ”Personal Action Constructs“ genannt.
Wenn es also um die Frage geht, wie sich eine Organisation verändern kann und wie die Veränderungsintensität und -geschwindigkeit durch eine digitale Transformation erhöht werden kann, ist ein wichtiger Parameter die Einführung und das Vorleben einer offenen Fehlerkultur, denn bei einer horizontalen Integration kommt es häufiger zu unvorhersehbaren Situationen und Ergebnissen (‘Fehlern’) als bei einer vertikalen Integration.
U nd Fehlerkultur ist immer auch eine Frage der Einstellung. Um hier einen Wandel zu ermöglichen - sofern man die Einstellungen überhaupt ändern kann - braucht es mehr Zeit und Aufmerksamkeit als beispielsweise die Einführung digitaler Werkzeuge (wie Software) oder neuer Methoden (wie Agilität oder Design Thinking).
Viele Unternehmer gehen davon aus, dass der grösste Erfolgsfaktor und gleichzeitig die grösste Hürde der digitalen Transformation die Implementierung neuer digitaler Werkzeuge ist, weshalb in diesen Prozess zuerst Zeit und Geld investiert wird.
Die Digital Transformation Map - und insbesondere dieses Playbook - ist ein Plädoyer dafür, die Priorität auf das Verstehen der Einstellung der Mitarbeitenden (z.B. durch eine Motivpotentialanalyse) und die Integration einer neuen und gelebten Fehlerkultur zu legen, da dies die meiste Zeit in Anspruch nimmt. Auf dieser neuen Basis können neue Instrumente und Methoden effektiver und erfolgreicher eingesetzt werden.

Fallbeispiele – mit Fehlern richtig umgehen

Eine Frage an Sie, liebe Leserinnen und Leser: Wann haben Sie das letzte Mal einen Fehler gemacht? Letzte Woche? Gestern? Heute? Haben Sie daraus etwas Neues gelernt? Und: Haben Sie es mit jemandem geteilt?
Vieles spricht dafür, über Fehler zu sprechen. Es hilft, das Geschehene einzuordnen und anderen zu helfen, aus den eigenen Erfahrungen zu lernen. Auch wenn es im beruflichen Kontext sinnvoll ist, die eigenen Stärken und die eigene Professionalität in den Vordergrund zu stellen, sollten die eigenen Fehler- und Lernkurven nicht völlig negiert und ausgeblendet werden.
Eine neue Fehlerkultur zu etablieren bedeutet, einen sicheren Rahmen zu schaffen, in dem man aus den Fehlern anderer lernen und auch über eigene Fehler lachen kann.

Niederlagen feiern: “Fuckup Nights”

Ein mögliches Format zur unternehmensinternen oder -übergreifenden Thematisierung von Fehlern sind sogenannte Fuckup Nights. Im Jahr 2012 haben befreundete Unternehmer in Mexiko Veranstaltungen ins Leben gerufen, um in lockerer Runde offen über berufliche Niederlagen und Rückschläge zu sprechen. Deutsche Ableger gibt es bereits in sechs Städten.
Hier treffen sich Menschen, die Unternehmen ‘an die Wand gefahren’ haben, die in ihrer Karriere ‘falsch abgebogen’ sind und so weiter. Dieses geballte Wissen, wie man es nicht machen sollte, trägt zu einem tieferen Verständnis des Geschenks des Scheiterns, der eigenen Selbstwirksamkeit und der Kraft des Kollektivs bei.
Ein solches Format kann auch im eigenen Unternehmen etabliert werden, wie das folgende Praxisbeispiel zeigt.

Praxisbeispiel: Veränderungsmanagement bei einem Softwareportal

Die Ausgangssituation: In einem deutschen Software-Portal-Unternehmen fand vierteljährlich ein organisationsübergreifendes Treffen (Town Hall Meeting) statt, bei dem die Erfolge der letzten drei Monate benannt und gefeiert sowie die besten Vertriebsmitarbeiter gekürt wurden. Ziel war es, ein Gemeinschaftsgefühl zu schaffen, alle anderen zu motivieren, ebenso erfolgreich zu sein, und das gemeinsame Ziel zu betonen, an dem alle mitarbeiten.
Problematisch an dieser einseitigen, leistungsorientierten Darstellung war, dass nicht transparent kommuniziert wurde, wo die Organisation, einzelne Abteilungen oder Mitarbeiter:innen Herausforderungen hatten und Projekte nicht funktionierten. Vielmehr wurde eine Fassade des Heldentums aufgebaut, die die Wertschätzung und damit den Wert der Mitarbeitenden propagierte.
Durch Change Management wurden diese Meetings inhaltlich angepasst und auch Rückschläge und gescheiterte Projekte öffentlich geteilt und die daraus gezogenen Lehren und Erkenntnisse kommuniziert. Den Anfang machte das Management, das in der ersten “Fuckup”-Veranstaltung vor versammelter Belegschaft zugab, eine neue Vertriebsstrategie geplant zu haben - aber vergessen zu haben, die Vertriebsmitarbeiter darüber zu informieren. Es folgte eine Diskussion und ein großes Umdenken in der Zusammenarbeit.
Dieses Vorgehen - und die Bereitschaft der Führungskräfte, die neue Fehlerkultur umzusetzen und zu pflegen - hatte zur Folge, dass sich die gesamte Unternehmenskultur deutlich verbesserte, indem ein offener Umgang mit allen Aspekten der Organisationsprozesse gepflegt wurde. Damit wurde eine neue Basis für gegenseitige Unterstützung und einen effektiveren, weil ganzheitlichen Austausch geschaffen.
Die intrinsische Motivation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, sich stärker einzubringen, Ideen zu teilen und auch Schwächen oder Unklarheiten zu kommunizieren, ist gestiegen, was zu einer höheren Effizienz und auch zu einer stärkeren gemeinsamen Zielorientierung geführt hat.

Erste Schritte: Die Rolle der Führungskraft

Fehler machen ist Chef-Sache

Natürlich macht jeder Fehler - nicht nur die Führungskraft und nicht nur die Mitarbeitenden. Bei der Einführung oder Veränderung einer Fehlerkultur im Unternehmen hat es jedoch eine Signalfunktion, wenn Führungskräfte hier vorangehen und als erste über (ihre) Fehler und deren Neukontextualisierung sprechen. Sie geben damit allen Mitarbeitenden Raum, diesem Beispiel zu folgen und zu lernen, wie man produktiv über Fehler sprechen kann.
Wenn der Eindruck entsteht, dass Fehler nur auf der Ebene der Mitarbeitenden passieren und ‘von oben’ eine Art Gnadenerlass im Sinne von “war ja nicht so schlimm” ausgesprochen wird, trägt dies eher zu einer Verhärtung hierarchischer Strukturen bei.
Ein offener Umgang mit Fehlern muss sich nicht auf das nachträgliche Mitteilen einer abgeschlossenen Situation beschränken; eine Führungskraft kann auch während eines laufenden Prozesses eigene Fehler oder Missstände mitteilen und um Unterstützung bitten.
Die offene Frage “Wer kann hier am besten helfen?” befähigt Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, von sich aus vorzutreten und sich an neue, möglicherweise arbeitsbereichsfremde Themen heranzuwagen. So öffnen sich ehemalige Siloprojekte für gemeinsame Problemlösungen.
Wichtig ist dabei: Eine solitäre, unternehmensinterne “Fuckup”-Veranstaltung reicht nicht aus, um einen neuen, alltäglichen Umgang mit Fehlern zu etablieren. Er muss immer mit strukturellen Veränderungen einhergehen - und seien sie noch so klein: Zum Beispiel, dass in den wöchentlichen Teamsitzungen auch Raum geschaffen wird, um aufgetretene Fehler oder Fehlerquellen zu besprechen. So wird die Verhandlung von und der Umgang mit Fehlern zur Normalität und nicht als Ausnahme betrachtet.

Transparenz herstellen: Mehr “Beta” wagen

Ein weiterer möglicher Schritt zu einer veränderten Unternehmenskultur: Den ‘Beta-Kodex’ nutzen und einen weiteren Schritt in Richtung Selbstorganisation der Mitarbeitenden wagen. Der Betacodex ist das Ergebnis einer Praxis- und Theorieforschung, die ihren Ursprung in den 1990er Jahren hat: Damals fand sich die Initiative “Beyond Budgeting Round Table” (BBRT) zusammen, um Muster erfolgreicher und nachhaltiger Unternehmensführung zu identifizieren. Aus dieser Forschung sind zwölf Prinzipien hervorgegangen, die im Beta Kodex zusammengefasst sind.
Prinzip
Beta
Alpha
1 – Handlungsfreiheit
Sinnkopplung
statt Abhängigkeit
2 – Verantwortung
Zellen
statt Abteilungen
3 – Leadership
Führung
statt Management
4 – Leistungsklima
Ergebniskultur
statt Pflichterfüllung
5 – Erfolg
Passgenauigkeit
statt Maximierungswahn
6 – Transparenz
Intelligenzfluss
statt Machtstau
7 – Orientierung
Relative Ziele
statt Vorgabe
8 – Anerkennung
Teilhabe
statt Anreizung
9 – Geistesgegenwart
Vorbereitung
statt Planung
10 – Entscheidung
Konsequenz
statt Bürokratie
11 – Ressourceneinsatz
Zweckdienlichkeit
statt Statusgehabe
12 – Koordination
Marktdynamik
statt Anweisung
Mehr Selbstorganisation bedeutet nicht weniger Führung - aber die Art und Weise, wie geführt wird, ist eine andere. Der Unterschied zu etablierten Führungsstrukturen besteht zum Beispiel darin, dass nicht mehr nur Anweisungen gegeben werden, was zu tun ist oder was gebraucht wird, sondern dass die Mitarbeitenden gefragt werden, was sie brauchen, um bestimmte Aufgaben effektiver erledigen zu können.
Effektive neue Führung für eine gute Fehlerkultur dient unter anderem dem Prinzip 6 des Beta Kodex: Transparenz. Wenn Führungskräfte Wissen - und dazu gehört auch das Lernen aus eigenen Fehlern - nicht zurückhalten, sondern teilen, so dass jedes Mitglied der Organisation davon profitieren und das Gelernte anwenden kann.
Diese neue Art der Führung ist lateral - auf Augenhöhe - und drückt sich in einem respektvollen Umgang mit allen Mitarbeitenden gleichermaßen aus. Die Führung sichert das Engagement des Teams durch Sinnvermittlung. Sie klärt also "Warum tun wir was? Da die meisten Menschen sich gerne weiterentwickeln, können Fortbildungen als Motivationssteigerung eingesetzt werden, statt ‚toter‘ Anreize wie Geld und Mitarbeiterparkplätze.
Auch hier gilt: Weiterbildung wird nicht angeordnet, sondern zum Anlass genommen, mit den Mitarbeitenden darüber ins Gespräch zu kommen, wie sie sich weiterentwickeln wollen und wo ihre Interessen liegen. Diese verschiedenen Ansatzmöglichkeiten führen letztlich zu mehr Verbundenheit und Vertrauen innerhalb der Organisation - der beste Nährboden für eine neu gedachte Fehlerkultur und dezentrales Lernen.
Weitere Ansätze neuer Führung sind
  • Führen mit Hirn(botenstoffen) - d.h. worauf reagiert der einzelne Mitarbeitende physiologisch am besten? (z.B. Motivationspotentialanalyse oder SCARF-Modell (Status, Certatinty, Autonomy, Relatedness, Fairness) Dadurch entsteht ein besseres Verständnis für die eigenen Motive und Werte - die Haltung wird bewusst)
  • Führen durch Zuhören statt Zeigen und Ausüben ungleicher Machtstrukturen
  • Führen durch positive Verstärkung und positive Psychologie (vgl. Buch “Whale done”) statt durch defizitorientiertes Top-to-Bottom-Management.

Aktionsplan: Checkliste zur Einführung von Dezentralem Lernen und Fehlerkultur

  • Welches sind die Eckpfeiler unserer Unternehmenskultur?
    • Welche gemeinsamen Werte verbinden uns?
  • Wie kann das Verständnis für die Einstellungen der einzelnen Mitglieder der Organisation verbessert werden? (Motivationspotenzialanalyse...)
  • Welche vertrauensbildenden Maßnahmen sind notwendig, um eine neue Fehlerkultur zu etablieren?
  • Wie könnte eine erste Veranstaltung für alle Mitarbeitenden aussehen, um eine neue Fehlerkultur zu etablieren? (Fuckup-Night, neue Besprechungsstruktur in Teams...)
  • Welche Räume können geschaffen werden, um dezentrales Lernen zu fördern?
  • Welche der 12 Prinzipien des ‚Beta-Kodex‘ werden in meiner Organisation bereits praktiziert?
    • Was ist notwendig, um mehr oder alle 12 Prinzipien umzusetzen?
  • Welche Ansätze der Neuen Führung werden in meiner Organisation bereits umgesetzt?
  • Welcher Ansatz der Neuen Führung sollte als nächstes eingeführt werden?

Veranstaltungshinweise, weitere Informationen

Monatlich werden nach und nach und in Wiederholungen die einzelnen Methoden der IHK Digital Transformation Map in kostenfreien Online-Impulsen vorgestellt.
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Unter Online Impulse IHK Digtial Transformation Map finden Sie alle Termine und die Anmeldemöglichkeiten.
Viele weitere Online-Impulse mit dem Augenmerk auf digitale Themen finden sich unter de Veranstaltungsübersicht impulsnetzwerk.ihk.de.
Hinweis zum generischen Maskulinum unter Einsatzfelder der IHK Digital Transformation Map.

Quellenangaben

  • Sinek, Simon: Frag immer erst: warum: Wie Top-Firmen und Führungskräfte zum Erfolg inspirieren, Redline, München 2014.
  • Keese, Christoph: Silicon Germany – Wie wir die digitale Transformation schaffen. Knaus, München 2016. Siehe auch Keese, Christoph: Life Changer. Zukunft made in Germany. Wie moderner Erfindergeist unser Leben verändert und den Planeten rettet. Penguin, München 2022.
  • Keese, Christoph: Silicon Valley. Was aus dem mächtigsten Tal der Welt auf uns zukommt. Albrecht Knaus, München 2014.
  • Miller, George A.; Galanter, Eugene; Pribram, Karl H.: Plans and the Structure of Behavior, 1960.
  • A. L. Kroeber, A.L.; Kluckhohn, C.: Culture: a critical review of concepts and definitions. Papers. Peabody Museum of Archaeology & Ethnology, Harvard University, 47. Jg., 1952, H. 1.
  • Habegger, Anja, und Schneeberger, Simon Jonathan: Ambidextrie – der organisationale Drahtseilakt. Synergie zwischen Exploration und Exploitation als Voraussetzung für die digitale Transaformation. In: Kissling-Näf, Ingrid et al.: Digitale Transformation und Unternehmensführung. Trends und Perspektiven für die Praxis. Springer Gabler, Wiesbaden 2020, S. 105-144.
  • Rump, Jutta; Eilers, Silke: Die vierte Dimension der Digitalisierung. Spannungsfelder in der Arbeitswelt von morgen. Springer Gabler, Berlin, Heidelberg 2020.
  • Vgl. hierzu C.G. Jungs Modell der Verhaltenspräferenzen, zusammengefasst in Jacobi, Jolande: Die Psychologie von C.G. Jung. Aktualisierte Neuasugabe von 1940, Patmos, Ostfildern 2012.
  • McAdams, D. P., & Pals, J. L. (2006). A new Big Five: Fundamental principles for an integrative science of personality. In: American Psychologist, 61, 2006, S. 204–217.
  • Vgl. Hierzu https://fuckups.de
  • Vgl. Betacodex.org, sowie Pfläging, Niels und Hermann, Silke: Die 12 Gesetze des Beta-Kodex. Betacodex Publishing, 2019.
(Autoren: Gordon Geisler, Co-Autor und Herausgeber: Emmanuel Beule, Stand 26.3.2024)