Industrie- und Handelskammern... ja wer braucht die denn?!

Haben Sie sich auch schon gefragt, warum und wozu es die IHK überhaupt gibt? Ich habe mich das im Rahmen meiner Bewerbung zum Digital Transformation Manager im Dezember 2018 auch gefragt und recherchiert. Denn eine Frage beschäftigt mich sehr: Trauen IHK-Mitgliedsunternehmen einer Kammer brauchbare Digitalisierungsberatung zu? Fangen wir also ganz vorne an und schauen wir gemeinsam hinter die Kulissen einer Kammer.
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Was soll ich sagen, ich arbeite jetzt (seit Februar 2019) für diesen "Verein" und fühle mich den knapp 70.000 Mitgliedsunternehmen verpflichtet. Ich bin Fan von der Grundidee der IHK, kenne aber auch die Tücken und Beschwerlichkeiten unseres verwaltungsähnlichen Apparates. Bevor also über die IHK geurteilt wird, dass sie nichts böte, bitte ich Sie ein paar Informationen über diese Institution hier nachzulesen.
Sie sehen, ich spreche das unangenehme Thema offen an - und niemand verbietet mir dieses vermeintlich Tabu zu beschreiben. Im Gegenteil: Wir, alle haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeitenden der IHK, wünschen uns für unsere Leistungen Gehör und Respekt zu erhalten, mit dem Wissen, dass wir sicherlich noch pro-aktiver auf unsere Mitglieder zugehen müssen.
Das Laster und das Vorurteil einer Behörde klebt an uns, wie ein altes nasses Pflaster mit zu viel ungesundem Klebstoff. Das wissen wir. Doch es hilft auch nichts dieses symbolische Pflaster mit einem Ruck abzureißen, zu wichtig sind Teilgebiete unserer täglichen Arbeit, welche ich nachstehend beschreiben werde.
Fühlen Sie sich eingeladen meine Recherchen über die IHK nachzuvollziehen und bilden Sie sich ihr Urteil über diese Institution selbst. Vielleicht können wir ja doch mehr, als manch einer uns zutraut.

Ein Analyse vom Herzen und mit Verstand

Die Existenzberechtigung der IHK beruht auf dem IHK-Gesetz und diversen Rechtsprechungen des Verfassungsrechts und EU-Rechts, welche die Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz bezüglich sogenannter Pflichtmitgliedschaften und definierten Aufgabenbeschreibungen regeln. Letztere bedeuten die „Vertretung der gewerblichen Wirtschaft gegenüber dem Staat“ und die „Wahrnehmung von Verwaltungsaufgaben auf wirtschaftlichem Gebiet“.
Alle deutschen, inländisch gemeldeten Unternehmen sind Pflichtmitglieder einer regionalen IHK. Zusammengefasst handelt es sich um ein paritätisches Konzept, welches jedem Unternehmen, unabhängig von Größe und Umsatz, die gleichen Leistungen der IHKs zur Verfügung stellt. Ausgenommen sind Handwerksbetriebe, Freie Berufe und landwirtschaftliche Betriebe, welche in eigenen Verbandsstrukturen vertreten werden.
Pflichtmitglieder bestimmen alle 5 Jahre durch ein demokratisches Wahlverfahren die Ausrichtung ihrer regionalen IHK-Arbeit in Form eines Unternehmerparlaments: die Vollversammlung. Jedem Mitgliedsunternehmen steht eine Stimme zu, gleich ob Einzelkaufleute oder Konzerne.
Die Vollversammlung, vergleichbar mit Aufsichtsräten von Aktiengesellschaften (AG), besteht aus ehrenamtlichen Unternehmern, welche einen Präsidenten und das Präsidium wählen, vergleichbar mit Vorständen von AGs.
Das Präsidium bestellt einen Hauptgeschäftsführer (HGF) und ggf. eine Vertretung ein. Der HGF bestimmt die Geschäftsbereichsleitenden jeder Division, welche Mitglieder der Geschäftsleitung werden und zusammen das Managementboard bilden.
Branchen und Divisionen sind nach Themenfeldern kategorisiert und von der Deutscher Industrie- und Handelskammer (DIHK), eine Art Dachverband aller 79 IHKs, vorgegeben. Die Themenfelder lauten:
  • Wirtschaftspolitik Standort Südlicher Oberrhein,
  • Existenzgründung und Unternehmensförderung,
  • Aus- und Weiterbildung,
  • Innovation und Umwelt,
  • International,
  • Recht und Steuern.
Doch nicht nur Themengebiete für Mitgliedsunternehmen sind wichtig, auch die Veröffentlichung von Informationen oder die Digitalsierung von Prozessen sind wesentlicher Teil für den Komfort unserer Kunden. Innerhalb der IHK-SO wurden die Bereiche Anfang 2021 in vereinfachte Strukturen überführt, wie hier im Organigramm einsehbar.
Das tägliche Wirken und die Interessen der Wirtschaftsunternehmen sind nach Branchen unterschiedlich und wurden vom DIHK auf fünf Branchenschwerpunkte festgelegt:
  • Handel
  • Industrie
  • IT und Medien
  • Tourismus
  • Verkehr
Organisation IHK
(Bildquelle: eigene Darstellung, 2020. Hinweis: die Organisationsstruktur hat sich mittlerweile verändert. Wichtig an der Darstellung ist der Aufbau der Kammerarbeit zwischen Ehren- und Hauptamt, unter Einbezug unserer Mitgliedsunternehmen oder wie wir gerne sagen: unsere Kunden.)
Historisch fußt das IHK-Konzept bis heute auf dem Ehrbaren Kaufmann, eine hanseatische Institution von Handelnden, gegründet 1517 in Hamburg. Im geschichtlichen Fortgang wurden die Interessen der Wirtschaftenden durch Verbände und Kammern vertreten, welche in Deutschland 1920 erstmals in IHKs zusammengeführt wurden.
Heute agieren deutschlandweit 79 regionale, autarke IHK-Selbstverwaltungsorganisationen, in Form berufsständischer öffentlich-rechtlicher Körperschaften, mit ca. 5,2 Mio. Mitgliedern (Sack & Schroeder, 2017, S. 85). Der Kammerbezirk IHK-SO umfasst etwa 63 Tsd. Mitgliedsunternehmen aus drei Landkreisen und einer kreisfreien Stadt.
Die IHKs vertreten in ihren Kammerbezirken hauptsächlich Aufgaben und Interessen von der Wirtschaft für die Wirtschaft. Vereinfacht lassen sich die Tätigkeitsbereiche in drei Axiome unterteilen:
  • hoheitliche Aufgaben,
  • politische Interessensvertretung und
  • Dienstleistungen
Hoheitliche Aufgaben sind gesetzlich geregelte, den Staat vertretende Tätigkeiten, wie bspw. die Prüfungskoordination und -abnahme von kaufmännischen Ausbildungsberufen, mit abschließenden, staatlich anerkannten, berufsbezeichnenden Beurkundungen. Im internationalen Geschäft werden hoheitliche Dokumente wie Carnets, Ursprungszeugnisse und viele weitere staatliche Zertifikate ausgestellt.
Politische Interessensvertretungen sind vielseitig und multilateral erklärbar. Einerseits gilt es politische Interessen und Voraussetzungen für Wirtschaftende auf kommunaler, Bundesland- und Bundesebene zu transferieren. Ein beispielhaftes, aktuelles Thema ist der Glasfaser oder 5G Telekommunikationsbreitbandausbau, sogenannte Hochgeschwindigeitsnetze. Andererseits unterstützten die IHKs Unternehmen dabei, politische Vorgaben zu filtern, sodass unterschiedlich agierende Unternehmen die richtigen Gesetzte zur richtigen Zeit erhalten, um sie optimal verstehen und anwenden zu können.
Ein populär bekanntes Thema ist bspw. die politische Energiewende nach der Atomkatastrophe von Fukushima, 2011 in Japan. Auflagen, Gesetze und Verordnungen werden von IHK-Fachexperten studiert, vorgefiltert und bspw. branchenspezifisch in Kompendien zusammengefasst. Diese Arbeit wird intern als teiljuristischer Service bezeichnet und beschreibt fließend den Übergang in dienstleistende Tätigkeiten der IHKs.
Die ersten beiden Tätigkeitsaxiome unterliegen einer Nullfehlertoleranz. Man stelle sich vor, dass bspw. durch eine falsche Abfallentsorgung, bedingt durch die IHK-SO erstellten Kompendien, eine Umweltkatastrophe ausgelöst oder wegen einer falschen Beurkundung ein Mensch beruflich diskreditiert würde. Da von Menschen bearbeite Medienbrüche zu Fehlern führen können, wie das Abtippen einer analogen Gesetzesvorlage in ein computergestütztes Programm, werden unzählige Verträge, Belege und Dokumente durch mehrere Instanzen geprüft. Dies bedingt zwangsläufig einen langsamen Verwaltungsapparat.
Aus allen Divisionen gibt es umfangreiche Dienstleistungs- bzw. Beratungsangebote. Angefangen von Gründerberatungen, über Fördermittelberatungen, schiedsgerichtliche Konfliktschlichtungen, Aus- und Weiterbildungsberatungen, juristische Erstberatungen, Umwelt- und Energieberatungen, usw. erweitert und verändert sich ständig das Dienstleistungssortiment.
Die Beratungsleistungen sind über diverse Kanäle erhältlich. Beratungen finden bei Mitgliedern vor Ort, in eigenen Kammerräumlichkeiten, bei Partnern, mit und über Konsortialpartnern und Intermediären statt. Dienstleistungen bestehen vorrangig aus Wissensvermittlungen, unterteilt in Erfahrungen, Erkenntnisse und Anwendungen von der Praxis für die Praxis und aus der Wissenschaft in die Praxis – und zurück.
Wenn Sie gerne mehr über die Geschichte der IHK Südlicher Oberrhein erfahren möchten, finden Sie hier eine sehr lesenswerten Bericht aus unserer Mitgliedszeitung, der Wirtschaft im Südwesten.

Und was bedeutet dies nur für Sie?

Die Antwort mag – für all jene die sich über eine Pflichtmitgliedschaft echauffieren – provozierend klingen: Unser Auftrag dient einer in die Zukunft ausgerichteten, paritätischen sozialen Sicherheit, welche die Versorgung von qualifizierten Fachkräften von morgen gewährleistet. Das internationale Geschäft würde ohne die IHKen per se nicht mehr funktionieren und viele andere, vielleicht auch von uns zu leise ausgearbeiteten Expertisen, helfen Unternehmen im Dschungel von Verordnungen und Gesetzen, Fördermitteln, Weiterbildung und vieles mehr zurechtzukommen. Das macht in meinen Augen Sinn. Und das dachte ich schon bevor ich für die IHK, und damit für die meisten Leserinnen und Leser dieses Artikels, arbeiten darf.
Wenn Sie Unterstützung für Ihr Unternehmen suchen, kommen Sie zu uns, schreiben Sie uns an oder greifen Sie zum Telefon. Sie haben mit Ihrem Mitgliedsbeitrag Beratungsleistungen quasi schon bezahlt. Es liegt an uns, Sie zu einem IHK-Fan zu machen. Es liegt an Ihnen, uns daran zu messen.
Und nicht ganz uneigenenützig, verweise ich an dieser Stelle auf die IHK-Digitalisierungsberatung. Wie bieten auf dieser Webseite ein Menge an Impulsen in schriftlichen Artikeln und Veranstaltungen – off- wie online – an. Nehmen Sie das Angebot wahr und kontaktieren Sie uns bei Fragen zu digitalen Themen, die nicht nur Softwareeinführung betreffen, sondern auch die Menschen, die die Umsetzungen mitgestalten oder anwenden müssen.
Grüße aus dem Südlichen Oberrhein wünscht

Emmanuel Beule
Referent Digitale Geschäftsprozesse IHK Südlicher Oberrhein
Text und inhaltliche Verantwortung, Freiburg 27.09.2019, Korrektur 12.03.2020, Anpassungen 09.09.2021: Emmanuel Beule